Das Recht auf muttersprachlichen Unterricht ist eine der wichtigsten Säulen der Süd-Tirol-Autonomie. Allerdings wird dieses Recht immer mehr vor allem in den Städten verunmöglicht, weil in den deutschen Schulen die Zahl der Schüler nicht deutscher Muttersprache rasant ansteigt. Die deutschen Schüler stehen mit dem Rücken zur Wand. Dass das Recht auf muttersprachlichen Unterricht ohne Wenn und Aber garantiert wird, ist die zentrale Forderung der Süd-Tiroler Freiheit. So brachte die Bewegung in der Vergangenheit dieser ihrer Forderung u.a. mit einem Plakat zum Ausdruck, auf dem „Deutsch vor Schuleintritt!“ zu lesen war. Auch im Landtag brachten die STF-Abgeordneten das Thema immer wieder zur Sprache, sei es in Form von Anfragen, sei es in Form von Beschlussanträgen.
Heute hat die Süd-Tiroler Freiheit auf einer Pressekonferenz ihren jüngsten Beschlussantrag sowie, begleitend hierzu, ein neues Plakat vorgestellt. Der Beschlussantrag zeigt die dringlichsten Probleme an den Süd-Tiroler Schulen auf und beinhaltet konkrete Lösungsvorschläge. Mit dem Plakat soll, ergänzend, die Problematik und die daraus resultierende zentrale Forderung erneut auf den Punkt gebracht werden.
Nachstehend eine kurze inhaltliche Beschreibung des Beschlussantrags.
Problem Nr. 1: Ungerechte Verteilung der Mittel.
Seit Jahren ist eine eklatante Ungleichbehandlung bei der Verteilung der finanziellen Mittel zu beobachten. Bereits eine Studie aus dem fernen Jahr 2009 ergab, dass pro Schüler einer italienischen Schule 711 Euro ausgegeben wurden, während es pro Schüler einer deutschen Schule nur 430 Euro waren. Bei gleichem Bildungsauftrag wurde die italienische Schule in Süd-Tirol also mit fast doppelt so viel Geld ausgestattet wie die deutsche Schule. Dass diese Ungleichbehandlung bis heute besteht, zeigen die Antworten und Reaktionen der Landesregierung auf diesbezügliche Landtagsanfragen.
>> Lösung: Mittel gerecht verteilen!
Die Ungleichbehandlung bei der Finanzierung der deutschen und italienischen Schule ist aufzuheben! Die deutsche und italienische Schule sind mit finanziellen Mitteln in der gleichen Höhe auszustatten, und zwar gemessen an der Anzahl der Schüler an der jeweiligen Schule.
Problem Nr. 2: Rechtliche Versäumnisse.
In viele deutsche Schulen werden oft Kinder eingeschrieben, die kein Wort oder nur mangelhaft Deutsch sprechen. Sie stammen aus italienischen oder ausländischen Familien. Die Zahlen sind eindeutig: 55 Prozent der Bozner Kinder sind für das Schuljahr 2024/2025 in der ersten Grundschulklasse einer deutschen Schule eingeschrieben. Die Bevölkerung deutscher Muttersprache macht in Bozen aber nur mehr knapp 25 Prozent aus! Es ist daher anzunehmen, dass in mindestens der Hälfte der genannten 55 Prozent der Bozner Kinder, die für das laufende Schuljahr in der ersten Grundschulklasse einer deutschen Schule eingeschrieben sind, besser die italienische oder eine andere Sprache als die deutsche Sprache beherrschen. Für das Feststellen des jeweiligen Sprachniveaus ist eine paritätische Kommission zuständig. Allerdings kam die paritätische Kommission bislang nie zum Einsatz.
>> Lösung: Paritätische Kommission einsetzen!
Für die Einsetzung der paritätischen Kommission, die somit dafür zuständig ist zu entscheiden, ob Kinder mit eventuellen mangelnden Sprachkenntnissen besser die deutsche oder italienische Schule besuchen sollten, ist es allerhöchste Zeit. Sollte die Kommission feststellen, dass keine der beiden Sprachkenntnisse ausreichen, gilt es dringend, diese Kinder in einen Sprachförderkurs zu schicken – auf dieses Modell wird später detailliert eingegangen werden.
Problem Nr. 3: Sprachniveau sinkt und Unterrichtsstoff bleibt auf der Strecke.
Dadurch, dass die Lehrer immer mehr Zeit den Schülern mit Migrationshintergrund bzw. den Schülern, die die Sprache der Schule nicht ausreichend beherrschen, widmen müssen, bleibt immer weniger Zeit für die Bedürfnisse der muttersprachlichen Schüler. Letztlich führt dies dazu, dass das Sprachniveau im Unterricht insgesamt sinkt und dass Unterrichtsstoff auf der Strecke bleibt.
>> Lösung: Obergrenze einführen und Sprachförderkurse einrichten!
Der muttersprachliche Unterricht darf durch den übermäßigen Anteil von nicht muttersprachlichen Schülern nicht länger beeinträchtigt werden. Zum Einen braucht es eine Obergrenze: Nicht mehr als zwanzig Prozent der Kinder, deren Muttersprache nicht die Unterrichtssprache ist, soll dieselbe Klasse besuchen. Die Forderung nach einer Obergrenze ist keineswegs radikal, sondern wissenschaftlich begründet. So sprach sich beispielsweise in Deutschland bereits im Jahr 2015 der Deutsche Philologenverband – das ist ein gewerkschaftlicher Zusammenschluss von Lehrern an Schulen – für eine Obergrenze von Kindern nicht deutscher Muttersprache in den Klassen aus.
Zum Anderen braucht es Sprachförderkurse. Entsprechende Modelle gibt es bereits. In Österreich werden seit September 2018 Schüler, die dem Unterricht sprachlich nicht folgen können, in Förderklassen oder Förderkursen begleitet. Die Sprachkenntnisse werden mit dem Test „MIKA-D“ (Messinstrument zur Kompetenzanalyse – Deutsch) erhoben.
Ein für Süd-Tirol vergleichbares Modell könnte dabei wie folgt aussehen: Schüler werden in eine reguläre Klasse eingeschrieben, doch bei nicht ausreichender Sprechkompetenz der Sprache der Schule, die beispielsweise durch den vorgenannten MIKA-Test erhoben werden kann, werden diese Schüler für eine bestimmte Anzahl von Wochenstunden aus der Klasse herausgenommen und während dieser Zeit in einen Sprachförderkurs geschickt, in dem ihnen ein intensiver Sprachunterricht durch eine Lehrperson, die im Lehren bzw. in der Vermittlung der betreffenden Fremdsprache spezialisiert ist, erteilt wird. Die übrige Zeit verbringen die Schüler im regulären Klassenverband. Zweimal im Jahr wird die erworbene Sprachkompetenz überprüft, und so bald diese das Niveau erreicht hat, das es den Schülern erlaubt, dem regulären Unterricht zu folgen, werden diese vollumfänglich in den Klassenverband integriert. Gleichzeitig wird auf die Förderung der Sprachkompetenz dieser Schüler weiterhin das Augenmerk gelegt.
Zusammenfassend: Die politischen Maßnahmen für das Funktionieren und letztendlich das Überleben der muttersprachlichen Schule, insbesondere der deutschen, müssen lauten: Gerechte finanzielle Verteilung der Mittel, Einsetzung der paritätischen Kommission, Einführung einer Obergrenze sowie Einrichtung von Sprachförderkusen für nicht muttersprachliche Schüler.
Weitere Forderungen.
Der Beschlussantrag der Süd-Tiroler Freiheit beinhaltet aber auch weitere Forderungen. Zu diesen gehört die umgehende Einstellung des Disziplinarverfahrens gegen die Direktorin der Goethe-Schule in Bozen, die bekanntlich eine praktikable Lösung des an ihrer Schule so offensichtlich gewordenen Problems schaffen wollte. Eine weitere Forderung besteht darin, dass, im Sinne einer bestmöglichen Sprachvermittlung, garantiert wird, dass auf den Pausenhöfen der Schulen sowie in der Kommunikation zwischen den Lehrern und den Eltern die Sprache der Schule gesprochen wird. Andere Länder wie Deutschland waren diesbezüglich schon vor vielen Jahren einen Schritt voraus: So hatte im Jahr 2006 eine Berliner Realschule für ihr Projekt „Deutsch als Schulhofsprache“ den Jahrespreis 2006 der Helga und Edzard Reuter-Stiftung zuerkannt bekommen. Das Preisgeld wurde dafür eingesetzt, um das pädagogische Konzept der Schule zu unterstützen.
Plakataktion: „Deutsche Schule retten!“
Begleitet wird der Beschlussantrag mit einer Plakataktion. Auf dem Plakat ist eine Grundschülerin dargestellt, die sichtlich bedauert, dass an ihrer Schule kaum noch Deutsch gesprochen wird. Daraus ergibt sich die auf dem Plakat festgehaltene Forderung: „Deutsche Schule retten!“
Süd-Tiroler Freiheit.
Landtagsklub.